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Demokratie in der EU – Europawahl 2024: Was steht zur Wahl?
Peter Kapern, Korrespondent Deutschlandradio bei der Europäischen Union in Brüssel
Freitag, den 15. März 2024, 19.00 Uhr
Schloss Heiligenberg – Gartensalon
Auf dem Heiligenberg 8, 64342 Seeheim-Jugenheim
Am 9. Juni 2024 wählen die Deutschen ihre Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament ist, anders als die Europäische Kommission und der Europäische Rat, das einzige von Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Organ der Europäischen Union. Mit seinen Befugnissen im Bereich der Gesetzgebung, des Haushalts und der Kontrolle ist es ein bedeutender Akteur in der Debatte über die EU und deren weitere Entwicklung.
Im Gegensatz zu bisherigen Wahlen stößt die bevorstehende Wahl zum Europäischen Parlament auf ein ausgesprochen großes Interesse und Engagement. Die EU steht in der Diskussion und mit dem Erstarken nationalistischer Parteien für einige auch zur Disposition. Die Debatte ist polarisiert: Es geht daher um eine grundsätzliche Entscheidung über die weitere Entwicklung und den Bestand der EU. Im Europäischen Parlament fehlt der typische Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen, was in den anstehenden Fragen zu wechselnden Mehrheiten und bei grundsätzlichen Entscheidungen über den weiteren Bestand und die weitere Entwicklung der EU zu folgenschweren Bündnissen führen kann. Insofern wird es für die Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger wichtig sein, die Strömungen zu erkennen, die hinter den einzelnen Parteien sichtbar werden.
Peter Kapern
Korrespondent Deutschlandradio bei der Europäischen Union in Brüssel
(Redakteur, Moderator von Informationssendungen, Auslandskorrespondent für die ARD in Tel Aviv, seit 2017 Auslandskorrespondent für das Deutschlandradio in Brüssel)
Peter Kapern gibt Einblick in die Debatten, Positionen und Mechanismen in der Europäischen Union. Er erläutert die Bedeutung des Europäischen Parlaments im Prozess der Entscheidungsfindung sowie die Bedeutung der Wahlen für das Kräfteverhältnis und die weitere Entwicklung der EU.
Peter Kapern gibt eine Einschätzung über die grundsätzlichen Positionen und Ziele der Parteien hinsichtlich des Absicherns, der Weiterentwicklung oder der Auflösung der EU sowie deren Tragweite und Konsequenzen.
Er geht den Fragen nach: Was steht zur Wahl? Werden die Karten innerhalb der EU neu gemischt? Gewinnen nationalistische und rechtsextremistische Kräfte, die auf die nationalorientierte Veränderung der EU oder die Auflösung der EU und ihrer Werte hinarbeiten, zunehmend an Einfluss? Wie entwickelt sich das Kräfteverhältnis gegenüber Positionen, zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der EU? Wie handlungsfähig bleibt die EU mit Blick auf die bisherigen Institutionen, Verfahren und Mechanismen zur Entscheidungsfindung? Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl: In welche Richtung soll sich die EU entwickeln?
Mitschnitt der Veranstaltung:
Pressetext:
Brüssel-Korrespondent Kapern im Forum Heiligenberg:
EU als 27 separate Echokammern begreifen
Seeheim-Jugenheim. 15. März 2024. Schon die Antwort auf die Testfrage „Wann findet die Wahl zum Europaparlament statt?“ ließ Peter Kapern, Korrespondent des Deutschlandradios bei der Europäischen Union in Brüssel, erkennen: Die Gäste des Forums Heiligenberg in Jugenheim bringen Sachverstand mit, und sie dankten ihm für verdeutlichende Bewertungen zum Geschehen in Brüssel und Straßburg.
In der Tat: Der 9. Juni 2024 ist der Wahltag in Deutschland, die übrigen 26 Mitgliedstaaten wählen an unterschiedlichen Daten, beginnend am 6. Juni. „Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die einen einheitlichen Diskurs betreibt“, stellte Kapern klar. Es handele sich um Wahlen, die in den einzelnen Staaten nach den örtlichen Gesetzen und Debatten verlaufen. Und auch da gibt es Unterschiede: Es gibt keine 5-Prozent-Hürde, an der kleine Parteien scheitern könnten – auch in Deutschland nicht. Und wenn hierzulande das Waffensystem Taurus die politischen Wogen hochgehen lässt, so erhitzen etwa in Polen die zollfreien Getreidelieferungen aus der Ukraine die Gemüter, anderswo sind es die Kosten der geplanten EU-Erweiterung. „Die Union besteht aus 27 separaten Echokammern“, sagte Kapern.
Trotzdem, so machte der Rundfunkkorrespondent den Zuhörern deutlich: „Das Europaparlament wird über Ihr privates Leben bestimmen!“ Die Journalistin Linda Kierstan von der ZDF-Hauptredaktion „Politik und Zeitgeschichte“ und Moderatorin von der Sendung „heute – in Europa“ steckte als Moderatorin des Abends den Handlungsrahmen des europäischen Parlaments ab, dessen Bedeutung insbesondere seit der letzten Wahl 2019 zugenommen habe. Zwar habe von den drei Hauptsäulen, auf denen das politische System der Europäischen Union ruht, nur die Kommission das Initiativrecht für die Gesetzgebung; die Ausarbeitung, Kontrolle liegen beim Rat der EU und die Genehmigung letztlich beim Parlament.
Wenn auch der Begriff der „Spitzenkandidaten“ im EU-Wahlkampf nach Kapern eine private Idee zweier arrivierter Politiker gewesen sei, so habe sich gezeigt, dass das Amt der Kommissionspräsidenten bzw. Präsidentin aufgrund politischer Machtentscheidungen auf der Ebene der Staats- und Regierungspräsidenten zustande kommt. „Ursula von der Leyen galt anfänglich als schwach, weil sie mithilfe von Macron zu ihrem Amt gekommen ist. Sie hat sich zu einer starken Präsidentin entwickelt. Sie hat vieles bewegt, wie die Festlegung auf eine Klimaneutralität der EU bis 2050.“
Hatte 2019 die Frage des Klimawandels für einen Run junger Wähler gesorgt, so bleibt das Thema zwar bestehen; mehr noch aber machen sich gerade die jungen Wähler hierzulande Sorgen um den Aufwind, den der Rechtspopulismus in mehreren europäischen Ländern erlebt. Fragen hierzu kamen von zwei Schülergruppen aus dem Schuldorf Bergstraße bzw. von der Brecht-Schule in Darmstadt. Peter Kapern stellt mit den populistischen Äußerungen der extrem Rechten deren Gefahr nicht in Abrede, verwies aber auf die geringe Gestaltungskraft, die die betreffenden zwei Fraktionen im Europaparlament besitzen. „Man darf von der Stimmungsmache der AfD nicht auf ganz Europa schließen“. Selbst wenn die beiden Fraktionen der rechtsgerichteten Systemveränderer bei der kommenden Wahl von zurzeit circa 160 auf 180 Sitze zulegen sollten, so stellen sie bei z.Zt. 705 Abgeordneten keine gestaltende Kraft dar. Sie sind sich im Grunde selbst nicht einig.
Als Aufgaben für die kommende Arbeitsperiode des Parlaments stehen neben den „Dauerbrennern“ Ukrainekrieg und Klimawandel die Fragen der Erweiterung der EU und die dazugehörende Finanzierung, die komplette Neugestaltung des Haushalts und die Agrarproblematik mit einer ggf. Rückabwicklung des „Green Deals“ als Herausforderungen an. Hier wird es interessant sein, wie die Kräfte der Mitte sich politisch formieren werden – eine schwierige Aufgabe für den EVP-Vorsitzenden Manfred Weber. Die EU bleibt auch in diesem Fall für den Brüssel-Korrespondenten Peter Kapern „die größte Kompromissmaschine auf Erden.“
Und weil im Verlauf der Diskussion die alltägliche Bedeutung des Parlaments als „einzige Institution der Europäischen Union, die wir selbst als Bürger bestimmen können“, erkennbar wurde, endete der höchst informative Abend mit dem Appell des Forum-Vorsitzenden Gerd Zboril. „Gehen Sie zur Wahl! Nehmen Sie die Chance wahr!“ VW