Alle Veranstaltungen, die im Jahr 2024 stattgefunden haben
Präsidentschaftswahl in den USA – Quo vadis USA?
Dr. David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz
Moderation: Dr. Gerhard Wiesinger, ehemals Leiter der Presse- und Kulturabteilung des US-Generalkonsulats Frankfurt
Donnerstag, den 21. November 2024, 19.00 Uhr
Schloss Heiligenberg – Gartensalon
Auf dem Heiligenberg 8, 64342 Seeheim-Jugenheim
Die Präsidentschaftswahl in den USA ist von besonderer Bedeutung. Es geht um eine grundsätzliche Richtungsentscheidung hinsichtlich der weiteren Entwicklung der demokratischen Ordnung und des politischen Systems der USA und der Rolle der USA in den internationalen Konflikten und in den internationalen Organisationen. Auch wenn die Großmacht USA zunehmend an Einfluss verliert, ist die Frage, wie sich die USA aufstellen wird nicht zuletzt für Europa und Deutschland von großer Bedeutung. Zu diesem Thema laden wir Sie herzlich ein.
Dr. David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, analysiert die Wahlergebnisse, die Ursachen und die politischen Konsequenzen in den USA und in den internationalen Beziehungen.
Dr. Gerhard Wiesinger, ehemals Leiter der Presse- und Kulturabteilung des US- Generalkonsulats Frankfurt, moderiert und regt Sie im Gespräch zur Auseinandersetzung und Positionierung an.
Es geht um eine fundamentale Richtungsentscheidung: Verlässliche Prinzipien und Leitbilder, Institutionen und Verfahren der amerikanischen Demokratie werden massiv in Frage gestellt und damit die Handlungsfähigkeit des Staates. Die Auseinandersetzungen und der Wahlkampf spiegeln eine polarisierte, gespaltene Gesellschaft. Zugespitzt wird der Wahlkampf zudem durch Donald Trump und dessen Bewegung: Persönliche Diffamierungen, Verleumdungen und Falschnachrichten sind Mittel zum Zweck. Die Wahl entscheidet über den Bestand und die Entwicklung der demokratischen Ordnung und des politischen Systems in den USA. Welche Prinzipien und Werte gelten zukünftig, wie verändern sich Gesellschaft und Kultur? In einer Phase, in der die Großmacht USA zunehmend an Einfluss verliert und die bisherige Weltordnung, ihre Institutionen und Verfahren bei auftretenden Konflikten zunehmend wirkungslos sind, ist das Wahlergebnis von großer Bedeutung für die internationale Entwicklung,
Wir gehen folgenden Fragen nach:
Wie demokratisch ist die Wahl?
Dr. Sirakov erläutert das spezifische Wahlsystem der USA, die Bedeutung der „Swing States“, die Besonderheiten des amerikanischen Wahlkampfes und gibt eine Einschätzung des Einflusses von Spendengeldern, Medien, Influencer und Cyberspace.
Was sagen die Wahlergebnisse?
Dr. Sirakov analysiert das Wahlergebnis, die Ursachen und die politischen Konsequenzen in den USA und ordnet sie in die langjährige gesellschaftliche und politische Entwicklung ein.
Welche Auswirkungen haben die Wahlergebnisse in den USA?
Dr. Sirakov analysiert die Kräfteverhältnisses nach den Wahlen und schätzt die weitere Entwicklung in den USA, die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und die Auswirkungen auf die staatliche Handlungsfähigkeit und die Institutionen der parlamentarischen Demokratie in den USA ein.
Welche Auswirkungen haben die Wahlergebnisse auf die internationalen Beziehungen?
Dr. Sirakov schätzt die Konsequenzen für die Ziele und Aktivitäten der USA in den internationalen Beziehungen und Konflikten, für die transatlantische Zusammenarbeit und die EU und die Folgen für die internationalen Organisationen und Bündnisse ein.
Mitschnitt der Veranstaltung:
Demokratie in der Defensive? – Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg
Professor Dr. Wolfgang Schroeder, Universität Kassel, Politikwissenschaft, Fachgebietsleiter
„Politisches System – Staatlichkeit im Wandel“
Donnerstag, den 10. Oktober 2024, 19.00 Uhr
Schloss Heiligenberg – Gartensalon
Auf dem Heiligenberg 8, 64342 Seeheim-Jugenheim
2024 ist das Jahr der Wahlen – weltweit. Im globalen Trend gewinnen illiberale, nationalistische, autokratische, diktatorische Vorstellungen und Parteien bei Wählerinnen und Wählern zunehmend an Attraktivität. Bisherige Prinzipien und Leitbilder, Institutionen und Verfahren der parlamentarischen Demokratie sowie die Handlungsfähigkeit des Staates werden massiv in Frage gestellt. Bei Wahlen geht es zunehmend um grundsätzliche Richtungsentscheidungen. Die Ergebnisse bestimmen damit letzten Endes auch über den Bestand und die Entwicklung des politischen Systems und der zugrundliegenden Prinzipien und Werte. In Deutschland sind in den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg Landtagswahlen, mit erheblichen bundesweiten Konsequenzen. Verliert die Demokratie ihre Bürgerinnen und Bürger? Demokratie in der Defensive?
Professor Dr. Wolfgang Schroeder
Dr. Schroeder analysiert die Wahlergebnisse und ihre Ursachen sowie die politischen Konsequenzen der Landtagswahlen. Er geht der Frage nach den Gründen für das Wahlverhalten, nach der Unzufriedenheit und der veränderten Debattenkultur nach. Dr. Schroeder erläutert die Bedeutung der Wahlergebnisse für das Kräfteverhältnis, für die parlamentarische Entscheidungsfähigkeit, die staatliche Handlungsfähigkeit und die Institutionen der parlamentarischen Demokratie. Er gibt eine Einschätzung über die Situation der parlamentarischen Demokratie.
Gerät die Demokratie in die Krise? Wählen die Wählerinnen und Wähler die Demokratie ab? Werden Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit gefährdet? Auf welche Trends und Szenarien müssen wir uns einstellen? Wie wehrhaft ist die Demokratie? Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl: In welche Richtung soll sich die Bundesrepublik Deutschland entwickeln?
Mitschnitt der Veranstaltung:
Pressetext:
Erfurt tickt nicht wie Darmstadt
Forum Heiligenberg: Politikforscher Wolfgang Schroeder diskutiert ostdeutsche Landtagswahlen/ Ist die Demokratie in der Defensive?
Jugenheim. „Erfurt tickt wie Darmstadt? Die Ergebnisse sagen etwas anderes!“ Mit dieser Feststellung rückte der Politikwissenschaftler Professor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel manche Vorstellungen zurecht, die man vor den Landtagswahlen in den Bundesländern in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben mochte. Er konstatiert unter der Wählerschaft ein „neues Ostbewusstsein“, dessen Symptome mit zu seinem Forschungsgebiet gehören.
In der dritten von vier Veranstaltungen, die sich mit Wahlen befassen, welche die Tektonik von Demokratien in der Welt verändern, befasste sich das Forum Heiligenberg der Stiftung Heiligenberg Jugenheim am 10. Oktober mit den Urnengängen in Ostdeutschland. Die Ausgangslage resümierte Forumsleiter Gerd Zboril mit den Worten: „Im globalen Trend gewinnen illiberale, nationalistische, autokratische, diktatorische Vorstellungen und Parteien bei Wählerinnen und Wählern zunehmend an Attraktivität.“
Ist die Demokratie in der Defensive? Die Antwort auf das Thema des gerade auch von Schülern aus Jugenheim und Darmstadt regen wahrgenommenen Diskussionsabends ist vielschichtig und fordert zu aktivem Engagement heraus: „Auf Sie wird es ankommen!“ appellierte Professor Schroeder nicht nur an die junge Generation. Denn: „Die Demokratie bedarf einer entwickelten Gesellschaft“. Wie der Moderator Stefan Schroeder, Presseclub Wiesbaden, in der ausgebuchten Veranstaltung sagte: „Die Form unserer Demokratie ist auf dem Rückzug.“ Anders als in der „alten“ Bundesrepublik sind die Parteien in den genannten Ländern keine Milieuparteien. Seit der letzten Volkskammerwahl der DDR habe sich das statische Denken der Menschen wenig geändert. Die Wahlen seien, so das Team auf dem Podium ein „Votum für Status Quo“ gewesen. „Es darf sich nichts verändern.“
Hervorstechend war bei allen drei Wahlen das Erstarken der politischen Ränder. Entweder versprachen sie – wie das aus dem Boden geschossene Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) – Sicherheit und Kontrolle sowie ein Ende des Krieges in der Ukraine und/oder sie betreiben als AfD einen Populismus mit den Zielen, der Zuwanderung einen kompletten Riegel vorzuschieben, das Vertrauen in das parlamentarische System zu unterminieren, Politiker öffentlich zu stigmatisieren und Institutionen und Zuständigkeiten mit dem Ziel ihrer Beseitigung zu beschneiden. Das bei 30 Prozent liegende Wählerpotential für diese Parteien verteilt sich etwa pari/pari auf beide.
Zum BSW gab der Politikwissenschaftler Schroeder einem Debattenbeitrag aus dem Publikum recht: Zum Phänomen Sarah Wagenknecht hätten die öffentlich-rechtlichen Medien durchaus beigetragen. Sie sei in 240 Talkshows als „politische Unternehmerin“ aufgetreten, wofür es in Osteuropa Beispiele gebe. Man räumt dort einer Person eine „Ankerfunktion“ in der Demokratie ein. Das BSW sei – ähnlich wie die Partei von Geert Wilders in den Niederlanden – eine „Kaderpartei“ mit 500 Mitgliedern. „Beim BSW wird man nicht Mitglied, sondern man wird angestellt“, mokierte sich Schroeder.
Erkennbar wurde wieder einmal, so Wolfgang Schroeder, dass die Landtagswahlen zunehmend zu einer „kleinen Bundestagswahl“ mutieren. „Sie werden zu Arenen der Mobilisierung von Emotionen“. Gewalt wird angedroht und die Sprache verroht. Die eigentlichen Landtagsthemen treten stark in den Hintergrund. Mit nahezu 74 Prozent war die Wahlbeteiligung hochpolitisch. Die Funktion eines Ministerpräsidenten wird dabei vermehrt als die eigentlich anzustrebende Machtposition dieser Wahlen angesehen, woraus die Ministerpräsidenten Kretschmer und Woidke den Schluss gezogen hatten, ihre Position und Persönlichkeit voll zur Wahl zu stellen: Entweder ich gewinne oder ich gehe. Die Konsequenz war, so Professor Schroeder, „sie haben die Wahlen gewonnen, aber dadurch keinen Koalitionspartner mehr“. Heute könnte man auch sagen: Brandmauern beginnen zu wackeln.
In seiner Generalbeobachtung der Demokratie und ihrer Gefährdung überall in der Welt, stellte Professor Wolfgang Schroeder fest: „Der Krieg hat die Welt gespalten“. 45 Prozent der Staaten lassen sich als demokratisch bezeichnen, 40 Prozent werden autokratisch oder diktatorisch regiert, wobei bei den Demokratien nur 8 Prozent alle Kernkriterien dieser Regierungsform erfüllen: Gewaltenteilung, Kompromissbefähigung, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz oder auch Wettbewerb sowie Meinungs- und Pressefreiheit. „Und vergessen wir nicht: Demokratie ist mehr als eine Repräsentanz der Mehrheit. Die Integration und Inklusion aller ist darin wichtig, also auch der Minderheiten.“
Die abschließend vierte Forumsveranstaltung wird sich mit der Präsidentschaftswahl in Amerika befassen: „Quo vadis USA?“ am 21. November 2024. WV
Großbritannien hat gewählt – Are You OK, UK?
Dr. Birgit Bujard, Institut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen, Universität zu Köln, Team EUROPE DIRECT (Rednerpool der Kommission in Deutschland)
Donnerstag, den 11. Juli 2024, 19.00 Uhr
Schloss Heiligenberg – Gartensalon
Auf dem Heiligenberg 8, 64342 Seeheim-Jugenheim
Das Jahr 2024 ist weltweit ein Jahr der Wahlen. Das Forum Heiligenberg bietet Ihnen deshalb zu allen wichtigen Wahlen eine Veranstaltung. In Großbritannien hat Premier Rishi Sunak kurzfristig den Termin der Unterhauswahlen auf den 4. Juli festgelegt.
Das Forum Heiligenberg hat sich bereits drei Mal im Zusammenhang mit dem BREXIT mit Großbritannien beschäftigt. Nunmehr ist es Zeit für eine Analyse, zumal der BREXIT erstarkten nationalistischen Parteien in Europa als attraktives Vorbild für den Ausstieg aus der EU und als Modell für ein Europa ohne EU gilt.
Dr. Birgit Bujard
Frau Dr. Bujard ist Geschäftsführerin des Instituts für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen, sowie Senior Research Fellow am Zentrum für Türkei- und EU-Studien (CETEUS), beides an der Universität zu Köln, und Mitglied im Team Europe Direct, dem Rednerpool der Europäischen Kommission. Sie hat Politikwissenschaft studiert, wurde mit einer Arbeit über die Rolle des britischen Premierministers in der britischen Europapolitik promoviert und befasst sich insbesondere mit den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich sowie der britischen (Europa-)Politik.
Frau Dr. Bujard erläutert das Wahlergebnis und gibt Einblick in die Debatte. Sie geht der Frage nach, inwieweit sich dadurch im Verhältnis zwischen Großbritannien und EU neue Perspektiven ergeben. Birgit Bujard schätzt die Auswirkungen des BREXIT ein und erörtert, welche Lehren daraus in der politischen Auseinandersetzung um die weitere Entwicklung in der EU und in Europa gezogen werden können. Das anschließende Gespräch klärt Fragen und regt zur Auseinandersetzung und Positionierung an.
Mitschnitt der Veranstaltung:
Pressetext:
Forum Heiligenberg im Wahlmarathon
Are you O.K., UK? lautet die Frage nach dem Labour-Sieg
Jugenheim, 11. Juli 2024. Vier Urnengänge in Europa und den USA hatte sich das Forum Heiligenberg zur Analyse und Diskussion für 2024 vorgenommen. „Nun sind im Jahr weltweiter Wahlen mit Frankreich und England überraschend zwei weitere hinzugekommen,“ erklärte Gerd Zboril, Leiter des beliebten und nachgesuchten Bürgerforums am 11. Juli im Jugenheimer Schloss. Eine davon, die britischen Unterhauswahl vom 4. Juli, hatte das Forum kurz entschlossen zusätzlich ins Programm genommen. Bei dieser Wahl hatte die 14-jährige Regierungszeit der Tories ein krachendes Ende gefunden. Der Heiligenberg ist durch die Battenbergs mit dem Vereinigten Königreich verflochten, und die deutsch-britischen Beziehungen spielen für Europa eine wichtige Rolle.
Ist mit dem haushohen Sieg von Labour unter Sir Keir Starmer nun alles O.K. im UK? fragten Dr.Birgit Bujard vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Köln sowie als Moderatorin Anja Simon, die aktiv im Bildungsbereich tätig ist. Beide waren sich einig: Wir erlebten eher eine Wahl gegen die Konservativen, denn eine Wahl für Starmer. Der kann allerdings mit 411 Sitzen (+209) allein regieren, während Ex-Premier Sunak 244 Sitze verlor und als „Seiner Majestät Opposition“ nur noch über 121 verfügt.
Dr. Bujard präsentierte in ihrem Impulsvortrag die zentralen Faktoren des Wahlergebnisses in Großbritannien. Diese waren der hohe Stimmenverlust der regierenden Konservativen, die Fragmentierung des Abstimmungsergebnisses auf verschiedene Parteien sowie eine Erläuterung des britischen Mehrheitswahlrechts „First past the post“.
Am 4. Juli ergab sich eine Vielfalt im neuen Parlament mit 13 Parteien und 6 Unabhängigen Abgeordneten. Die Wahlbeteiligung war mit 60% niedriger als bei den letzten General Elections, wo sie bei 67 Prozent lag. Labour profitierte von der Schwäche ihrer Gegner, insbesondere in Schottland, wo die nationalistische SNP-Sitze verlor, die zumeist an Labour zurückfielen.
Das britische Mehrheitswahlrecht führte, so ein Diskussionsbeitrag, zu eindeutigen Entscheidungen bei der Wahl: eine klare Mehrheit, rasche Ernennung des neuen Premiers am Tag nach der Wahl, erste deutliche Weichenstellungen zu einem Politikwechsel z. B. bei der Migration. Das Ruanda Gesetz zur Verbringung von Asylbewerbern nach Afrika verschwand am Tag eins der Regierungstätigkeit in der Versenkung, und am Tag drei knüpfte der neue Außenminister in Berlin erste Verbindungen zu einer „Wiederannäherung an Europa“.
Labour hatte in den zurückliegenden Monaten ihre Hausarbeiten in Richtung Sieg vorbildlich gemacht: Keir Starmer führte die Partei zurück in die Mitte und machte sie wieder wählbar. Mit einem klaren Fokus auf „Change“ (Wechsel) setzt die neue Regierung auf eine Verbesserung des Verhältnisses zu Europa, ohne jedoch einen Wiedereintritt in die EU anzustreben. Die Regierung steht vor wichtigen Aufgaben, die unter dem Brexit gelittene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, eine Lösung für die Migrationsfrage zu finden und den Nationalen Gesundheitsdienst NHS besser mit Personal und Finanzen auszustatten. Ob das gelingen kann, wenn Starmer die Steuern nicht erhöhen will, stand als Frage im Raum.
Ist das UK nun O.K.? Die faktengespickte und kenntnisreiche Darlegung der Referentinnen Birgit Bujard und Anja Simon ließ zumindest einen Schluss zu: Im Vereinigten Königreich wird eine neue politische Dynamik erkennbar, die einer breit gefächerten Verbesserung der Stimmungslage Hoffnung gibt.
Die nächste Veranstaltung des Forums Heiligenberg ist zum Wahlausgang in den ostdeutschen Bundesländern für Oktober angepeilt. Im November wird die Präsidentenwahl in den USA folgen. WV
Demokratie in der EU – Europawahl 2024: Was steht zur Wahl?
Peter Kapern, Korrespondent Deutschlandradio bei der Europäischen Union in Brüssel
Freitag, den 15. März 2024, 19.00 Uhr
Schloss Heiligenberg – Gartensalon
Auf dem Heiligenberg 8, 64342 Seeheim-Jugenheim
Am 9. Juni 2024 wählen die Deutschen ihre Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament ist, anders als die Europäische Kommission und der Europäische Rat, das einzige von Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Organ der Europäischen Union. Mit seinen Befugnissen im Bereich der Gesetzgebung, des Haushalts und der Kontrolle ist es ein bedeutender Akteur in der Debatte über die EU und deren weitere Entwicklung.
Im Gegensatz zu bisherigen Wahlen stößt die bevorstehende Wahl zum Europäischen Parlament auf ein ausgesprochen großes Interesse und Engagement. Die EU steht in der Diskussion und mit dem Erstarken nationalistischer Parteien für einige auch zur Disposition. Die Debatte ist polarisiert: Es geht daher um eine grundsätzliche Entscheidung über die weitere Entwicklung und den Bestand der EU. Im Europäischen Parlament fehlt der typische Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen, was in den anstehenden Fragen zu wechselnden Mehrheiten und bei grundsätzlichen Entscheidungen über den weiteren Bestand und die weitere Entwicklung der EU zu folgenschweren Bündnissen führen kann. Insofern wird es für die Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger wichtig sein, die Strömungen zu erkennen, die hinter den einzelnen Parteien sichtbar werden.
Peter Kapern
Korrespondent Deutschlandradio bei der Europäischen Union in Brüssel
(Redakteur, Moderator von Informationssendungen, Auslandskorrespondent für die ARD in Tel Aviv, seit 2017 Auslandskorrespondent für das Deutschlandradio in Brüssel)
Peter Kapern gibt Einblick in die Debatten, Positionen und Mechanismen in der Europäischen Union. Er erläutert die Bedeutung des Europäischen Parlaments im Prozess der Entscheidungsfindung sowie die Bedeutung der Wahlen für das Kräfteverhältnis und die weitere Entwicklung der EU.
Peter Kapern gibt eine Einschätzung über die grundsätzlichen Positionen und Ziele der Parteien hinsichtlich des Absicherns, der Weiterentwicklung oder der Auflösung der EU sowie deren Tragweite und Konsequenzen.
Er geht den Fragen nach: Was steht zur Wahl? Werden die Karten innerhalb der EU neu gemischt? Gewinnen nationalistische und rechtsextremistische Kräfte, die auf die nationalorientierte Veränderung der EU oder die Auflösung der EU und ihrer Werte hinarbeiten, zunehmend an Einfluss? Wie entwickelt sich das Kräfteverhältnis gegenüber Positionen, zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der EU? Wie handlungsfähig bleibt die EU mit Blick auf die bisherigen Institutionen, Verfahren und Mechanismen zur Entscheidungsfindung? Die Bürgerinnen und Bürger haben die Wahl: In welche Richtung soll sich die EU entwickeln?
Mitschnitt der Veranstaltung:
Pressetext:
Brüssel-Korrespondent Kapern im Forum Heiligenberg:
EU als 27 separate Echokammern begreifen
Seeheim-Jugenheim. 15. März 2024. Schon die Antwort auf die Testfrage „Wann findet die Wahl zum Europaparlament statt?“ ließ Peter Kapern, Korrespondent des Deutschlandradios bei der Europäischen Union in Brüssel, erkennen: Die Gäste des Forums Heiligenberg in Jugenheim bringen Sachverstand mit, und sie dankten ihm für verdeutlichende Bewertungen zum Geschehen in Brüssel und Straßburg.
In der Tat: Der 9. Juni 2024 ist der Wahltag in Deutschland, die übrigen 26 Mitgliedstaaten wählen an unterschiedlichen Daten, beginnend am 6. Juni. „Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die einen einheitlichen Diskurs betreibt“, stellte Kapern klar. Es handele sich um Wahlen, die in den einzelnen Staaten nach den örtlichen Gesetzen und Debatten verlaufen. Und auch da gibt es Unterschiede: Es gibt keine 5-Prozent-Hürde, an der kleine Parteien scheitern könnten – auch in Deutschland nicht. Und wenn hierzulande das Waffensystem Taurus die politischen Wogen hochgehen lässt, so erhitzen etwa in Polen die zollfreien Getreidelieferungen aus der Ukraine die Gemüter, anderswo sind es die Kosten der geplanten EU-Erweiterung. „Die Union besteht aus 27 separaten Echokammern“, sagte Kapern.
Trotzdem, so machte der Rundfunkkorrespondent den Zuhörern deutlich: „Das Europaparlament wird über Ihr privates Leben bestimmen!“ Die Journalistin Linda Kierstan von der ZDF-Hauptredaktion „Politik und Zeitgeschichte“ und Moderatorin von der Sendung „heute – in Europa“ steckte als Moderatorin des Abends den Handlungsrahmen des europäischen Parlaments ab, dessen Bedeutung insbesondere seit der letzten Wahl 2019 zugenommen habe. Zwar habe von den drei Hauptsäulen, auf denen das politische System der Europäischen Union ruht, nur die Kommission das Initiativrecht für die Gesetzgebung; die Ausarbeitung, Kontrolle liegen beim Rat der EU und die Genehmigung letztlich beim Parlament.
Wenn auch der Begriff der „Spitzenkandidaten“ im EU-Wahlkampf nach Kapern eine private Idee zweier arrivierter Politiker gewesen sei, so habe sich gezeigt, dass das Amt der Kommissionspräsidenten bzw. Präsidentin aufgrund politischer Machtentscheidungen auf der Ebene der Staats- und Regierungspräsidenten zustande kommt. „Ursula von der Leyen galt anfänglich als schwach, weil sie mithilfe von Macron zu ihrem Amt gekommen ist. Sie hat sich zu einer starken Präsidentin entwickelt. Sie hat vieles bewegt, wie die Festlegung auf eine Klimaneutralität der EU bis 2050.“
Hatte 2019 die Frage des Klimawandels für einen Run junger Wähler gesorgt, so bleibt das Thema zwar bestehen; mehr noch aber machen sich gerade die jungen Wähler hierzulande Sorgen um den Aufwind, den der Rechtspopulismus in mehreren europäischen Ländern erlebt. Fragen hierzu kamen von zwei Schülergruppen aus dem Schuldorf Bergstraße bzw. von der Brecht-Schule in Darmstadt. Peter Kapern stellt mit den populistischen Äußerungen der extrem Rechten deren Gefahr nicht in Abrede, verwies aber auf die geringe Gestaltungskraft, die die betreffenden zwei Fraktionen im Europaparlament besitzen. „Man darf von der Stimmungsmache der AfD nicht auf ganz Europa schließen“. Selbst wenn die beiden Fraktionen der rechtsgerichteten Systemveränderer bei der kommenden Wahl von zurzeit circa 160 auf 180 Sitze zulegen sollten, so stellen sie bei z.Zt. 705 Abgeordneten keine gestaltende Kraft dar. Sie sind sich im Grunde selbst nicht einig.
Als Aufgaben für die kommende Arbeitsperiode des Parlaments stehen neben den „Dauerbrennern“ Ukrainekrieg und Klimawandel die Fragen der Erweiterung der EU und die dazugehörende Finanzierung, die komplette Neugestaltung des Haushalts und die Agrarproblematik mit einer ggf. Rückabwicklung des „Green Deals“ als Herausforderungen an. Hier wird es interessant sein, wie die Kräfte der Mitte sich politisch formieren werden – eine schwierige Aufgabe für den EVP-Vorsitzenden Manfred Weber. Die EU bleibt auch in diesem Fall für den Brüssel-Korrespondenten Peter Kapern „die größte Kompromissmaschine auf Erden.“
Und weil im Verlauf der Diskussion die alltägliche Bedeutung des Parlaments als „einzige Institution der Europäischen Union, die wir selbst als Bürger bestimmen können“, erkennbar wurde, endete der höchst informative Abend mit dem Appell des Forum-Vorsitzenden Gerd Zboril. „Gehen Sie zur Wahl! Nehmen Sie die Chance wahr!“ VW