Are you O.K., UK? lautet die Frage nach dem Labour-Sieg
Jugenheim, 11. Juli 2024. Vier Urnengänge in Europa und den USA hatte sich das Forum Heiligenberg zur Analyse und Diskussion für 2024 vorgenommen. „Nun sind im Jahr weltweiter Wahlen mit Frankreich und England überraschend zwei weitere hinzugekommen,“ erklärte Gerd Zboril, Leiter des beliebten und nachgesuchten Bürgerforums am 11. Juli im Jugenheimer Schloss. Eine davon, die britischen Unterhauswahl vom 4. Juli, hatte das Forum kurz entschlossen zusätzlich ins Programm genommen. Bei dieser Wahl hatte die 14-jährige Regierungszeit der Tories ein krachendes Ende gefunden. Der Heiligenberg ist durch die Battenbergs mit dem Vereinigten Königreich verflochten, und die deutsch-britischen Beziehungen spielen für Europa eine wichtige Rolle.
Ist mit dem haushohen Sieg von Labour unter Sir Keir Starmer nun alles O.K. im UK? fragten Dr. Birgit Bujard vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Köln sowie als Moderatorin Anja Simon, die aktiv im Bildungsbereich tätig ist. Beide waren sich einig: Wir erlebten eher eine Wahl gegen die Konservativen, denn eine Wahl für Starmer. Der kann allerdings mit 411 Sitzen (+209) allein regieren, während Ex-Premier Sunak 244 Sitze verlor und als „Seiner Majestät Opposition“ nur noch über 121 verfügt.
Dr. Bujard präsentierte in ihrem Impulsvortrag die zentralen Faktoren des Wahlergebnisses in Großbritannien. Diese waren der hohe Stimmenverlust der regierenden Konservativen, die Fragmentierung des Abstimmungsergebnisses auf verschiedene Parteien sowie eine Erläuterung des britischen Mehrheitswahlrechts „First past the post“.
Am 4. Juli ergab sich eine Vielfalt im neuen Parlament mit 13 Parteien und 6 Unabhängigen Abgeordneten. Die Wahlbeteiligung war mit 60% niedriger als bei den letzten General Elections, wo sie bei 67 Prozent lag. Labour profitierte von der Schwäche ihrer Gegner, insbesondere in Schottland, wo die nationalistische SNP-Sitze verlor, die zumeist an Labour zurückfielen.
Das britische Mehrheitswahlrecht führte, so ein Diskussionsbeitrag, zu eindeutigen Entscheidungen bei der Wahl: eine klare Mehrheit, rasche Ernennung des neuen Premiers am Tag nach der Wahl, erste deutliche Weichenstellungen zu einem Politikwechsel z. B. bei der Migration. Das Ruanda Gesetz zur Verbringung von Asylbewerbern nach Afrika verschwand am Tag eins der Regierungstätigkeit in der Versenkung, und am Tag drei knüpfte der neue Außenminister in Berlin erste Verbindungen zu einer „Wiederannäherung an Europa“.
Labour hatte in den zurückliegenden Monaten ihre Hausarbeiten in Richtung Sieg vorbildlich gemacht: Keir Starmer führte die Partei zurück in die Mitte und machte sie wieder wählbar. Mit einem klaren Fokus auf „Change“ (Wechsel) setzt die neue Regierung auf eine Verbesserung des Verhältnisses zu Europa, ohne jedoch einen Wiedereintritt in die EU anzustreben. Die Regierung steht vor wichtigen Aufgaben, die unter dem Brexit gelittene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, eine Lösung für die Migrationsfrage zu finden und den Nationalen Gesundheitsdienst NHS besser mit Personal und Finanzen auszustatten. Ob das gelingen kann, wenn Starmer die Steuern nicht erhöhen will, stand als Frage im Raum.
Ist das UK nun O.K.? Die faktengespickte und kenntnisreiche Darlegung der Referentinnen Birgit Bujard und Anja Simon ließ zumindest einen Schluss zu: Im Vereinigten Königreich wird eine neue politische Dynamik erkennbar, die einer breit gefächerten Verbesserung der Stimmungslage Hoffnung gibt.
Die nächste Veranstaltung des Forums Heiligenberg ist zum Wahlausgang in den ostdeutschen Bundesländern für Oktober angepeilt. Im November wird die Präsidentenwahl in den USA folgen. WV
Mitschnitt der Veranstaltung: